Überlegungen zur heiklen Frage des Abschaltvermögens auf einem Pol im TN-System
Inhaltsverzeichnis
Ursprung dieser Überlegungen
Das Problem stammt aus der nachfolgenden Frage, die der UTE (Union Technique de l’Électricité, deutsch Technische Union für Elektrizität) Anfang 2010 gestellt wurde. Aus der Antwort der UTE wurde das Auslegungsblatt 15-100 F13 verfasst, welches nachher in den Änderungsantrag 4 der Norm NF C 15-100 (Mai 2013) aufgenommen wurde.
Frage: Wie muss das Abschaltvermögen einer Kurzschlussschutzeinrichtung in einer Anlage mit einem TN-System bestimmt werden?
Antwort: In Ergänzung der Anforderungen des Artikels 533.3.1 müssen Schutzeinrichtungen in der Lage sein, auf einem Pol zwischen der Phase und dem Neutralleiter den Fehlerstrom abzuschalten.
Die Fehlerkonfigurationen, auf die sich diese Anforderungen beziehen, sind die Fehler zwischen einer einzigen Phase und dem Erdungsleiter, egal ob es sich um ein Vier-, Drei, Zwei- oder Einphasensystem handelt. In all diesen Fällen wird die Schutzeinrichtung nur an einem Pol beansprucht. Die Spannung an diesem einzigen Pol entspricht der Spannung Außenleiter/Neutralleiter des Stromkreises.
Seitdem stellte sich die Frage, wie diese Prüfung durchgeführt werden muss. Ein erstes Element wurde im Dokument FD C 15-500 geliefert, das seit Juli 2015 im Abschnitt 9.5. angibt, welcher maximale Fehlerstrom zur Durchführung dieser Prüfung berücksichtigt werden muss:
9.5. Berechnung des maximalen Fehlerstroms Iefmax in einem TN-System
Dieser Kurzschlussstrom wird berechnet, um das erforderliche Abschaltvermögen an einem Pol zu ermitteln.
Sollte ein Kurzschluss zwischen der Phase und dem PE-Leiter oder dem PEN-Leiter auftauchen, ist der Wert des Stroms Iefmax gleich:
Beseitigen wir erstmal die Fälle, bei denen die Antwort einfach ist
1. Fall – Die Schutzeinrichtung ist eine Sicherung, die mit der Norm NF EN 60269 (DIN EN 60269) konform ist: Das Abschaltvermögen auf einem Pol unter U/√3 ist gleich dem Abschaltvermögen unter U. Dieser Wert ist im Produktdatenblatt vorhanden.
2. Fall – Die Schutzeinrichtung ist ein Leistungsschalter, der der Norm NF EN 60898-1 (DIN EN 60898-1) (Leistungsschalter für den Haushaltsgebrauch und ähnliche Zwecke) entspricht: Das 1-polige Schaltvermögen (Icn1) ist in dieser Norm definiert und kann zu Vergleichszwecken herangezogen werden. Allerdings werden Schutzschalter, die diese Norm beinhalten, hauptsächlich in Haushalten oder ähnlichen Einrichtungen verwendet, in denen das TN-Schema äußerst selten ist.
Mit der Norm DIN EN 60947-2 konforme Leistungsschalter
Diese Norm schlägt eine Prüfung zur Bestimmung des Abschaltvermögens auf einem Pol mit einer Spannung zwischen Phasen (IIT) vor, das für elektrische Anlagen mit einem IT-System sinnvoll ist. Dieser Prüfwert kann alternativ in einem TN-System verwendet werden. Doch da die Prüfspannung höher ist, ist dieser Wert in den meisten Fällen zu niedrig, um überhaupt brauchbar zu sein.
Die Norm NF EN 60947-2 (DIN EN 60947-2) hingegen sieht nicht die gleiche Art von Prüfung bei einfacher Spannung vor. Infolgedessen ist der für uns relevante Wert des Abschaltvermögens nicht immer systematisch in den Datenblättern der Hersteller vorhanden.
Der aktuelle Stand
Seitdem die Vorschrift zur Überprüfung des 1-poligen Schaltvermögens bei einer Spannung Außenleiter-Neutralleiter in TN-Schaltungen in die Norm aufgenommen wurde, haben zahlreiche Diskussionen mit den betroffenen Herstellerverbänden, Softwareherstellern und nationalen Normungsgremien stattgefunden. Dennoch gibt es bis heute keine offizielle Position zu diesem Thema.
In den letzten Jahren haben die französischen Hersteller von Leistungsschaltern jedoch auf Anfrage von Verbrauchern und Softwareherstellern in den meisten Fällen die entsprechenden Daten in ihren technischen Dokumentationen bereitgestellt. Dies ist bei ausländischen Anbietern weniger der Fall, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass die Anforderung, das Schaltvermögen an einem Pol bei einfacher Spannung in einem TN-System zu überprüfen, nur in der französischen Norm klar festgelegt ist, nicht aber in den entsprechenden IEC- oder CENELEC-Normen.
Einige Überlegungen zum Thema
- Leistungsschalter mit 3 Phasen, 4 Phasen und 3 Phasen + Neutralleiter: Es wäre logisch zu sagen, dass das Schaltvermögen an einem Pol bei einfacher Spannung gleich dem Schaltvermögen Icu bei Phasenspannung ist, ähnlich wie im Kommentar in der Norm NF C 15-100 (533.3. 1) für das Schaltvermögen IIT: “In Abwesenheit genauerer Informationen kann angenommen werden, dass das Schaltvermögen an einem einzelnen Pol unter der Spannung zwischen den Phasen von drei- und vierpoligen Geräten mindestens gleich dem dreiphasigen ultimativen Schaltvermögen unter einer Spannung ist, die dem √3-fachen der Nennspannung des betreffenden Stromkreises entspricht.” Ein solche Argumentation erlaubt es, viele Situationen zu beheben.
- Leistungsschalter mit 3 Phasen + Neutralleiter, 2 Phasen und 1 Phase mit Neutralleiter: Nur der Hersteller kann die relevanten Daten liefern.
- Verwendung der Kaskadenschaltung oder der Koordination zwischen Leistungsschaltern: Auch hier kann nur der Hersteller relevante Daten bereitstellen.
Es ist zu erwarten, dass eine zukünftige Aktualisierung der Norm IEC 60947-2 diese Prüfung zur Bestimmung des 1-poligen Schaltvermögens bei einfacher Spannung beinhaltet.
Die Stellungnahme von Trace Software International
Als Hersteller von Software für die Planung elektrischer Anlagen ist die Überprüfung des 1-poligen Schaltvermögens bei einfacher Spannung im TN-Schaltplan unumgänglich, sobald der Benutzer eine Materialreferenz auswählt. Wenn wir über die relevanten Herstellerdaten verfügen, wird die Überprüfung automatisch durchgeführt.
In Fällen, in denen diese Daten nicht verfügbar sind, entspricht es nicht unserer Unternehmensphilosophie, “ein Auge zuzudrücken” oder dem Nutzer vorzuschlagen, dies zu tun. Die Software wird also eine Fehlermeldung anzeigen, die der Nutzer rechtfertigen kann, indem er den Hersteller bittet, sich zu dem Fall zu äußern.
Fehlermeldung in elec calc™ – Abschaltvermögen auf einem Pol im TN-System ungültig
Artikel geschrieben in Zusammenarbeit mit Philippe Aupetit, wissenschaftlicher Leiter.
